Während viele deutsche Onlinehändler noch damit beschäftigt sind, die Ankündigung neuer DHL-Peak-Gebühren zu verdauen, kommt schon der nächste Paukenschlag: DHL wird seine Zusammenarbeit mit der chinesischen Plattform Temu weiter ausbauen (Näheres hier). DHL und Temu haben eine neue Partnerschaft angekündigt, die angeblich kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) im Onlinehandel zugutekommen soll. Man spricht von effizienter Logistik, lokalem Handel, neuen Märkten und Wachstum. Klingt gut – aber bei näherem Hinsehen entpuppt sich das Ganze eher als PR-Märchen denn als Mittelstandsprogramm.
Temus Modell – Lokal ist nur die Überschrift
Zentraler Bestandteil der Kooperation ist Temus sogenanntes „Local-to-Local“-Modell: Europäische Händler sollen europäische Kunden beliefern – mit lokaler Lagerung und Abwicklung. Temu prognostiziert, dass dieses Modell bis zu 80 % seines EU-Umsatzes ausmachen werde.
Doch in der Praxis sieht es anders aus:
Temus Kerngeschäft basiert auf Direktimporten aus China, vorbei an jeglichen Zwischenhändlern – genau das bewirbt Temu auch offensiv mit Slogans wie:
„Hör auf, Zwischenhändler zu bezahlen.“ „Zwischenhändler umgehen – Verpass nicht den großen Rabatt.“
Und auch die zwei verschiedenen Fulfillment-Programme von Temu zeigen ein deutliches Bild:
Chinesische Händler (meist gleich der Produzent) brauchen nämlich gerade kein Lager, sondern verkaufen direkt von China an den Endverbraucher. Alle anderen Händler müssen in den Zielländern jeweils die Ware lagern.
Und wer als Händler versucht, bei Temu zu verkaufen, muss sich einem „wettbewerbsfähigen“ Preis beugen. Laut Händlern, die versucht haben, bei Temu zu verkaufen, darf dieser „Basispreis“, den die Händler verdienen, nur deutlich unterhalb des sonstigen Preisniveaus auf anderen Plattformen betragen. Ein unglaublicher Preisdruck, der dem HDE die Veranlassung bot, eine Kartellbeschwerde gegen Temu einzureichen (hier).
Und während Temu mit Kampfpreisen wirbt, wird Logistik zunehmend teurer:
DHL plant für den Black Friday eine zusätzliche Peak-Gebühr von 0,50 € pro Paket (wir berichten). Diese Gebühr kommt on top zu den bereits angekündigten Peak-Zuschlägen für November und Dezember. Das trifft vor allem kleinere Händler, die nicht das Volumen oder die Verhandlungsmacht haben, um solche Zusatzkosten abzufedern.
Während Temu den Preis drückt, treibt DHL die Kosten – ein doppelter Würgegriff für KMU.
Realität für KMU: Preisdrückerei statt Wachstum
Die DHL-Temu-Kooperation wird als Chance für europäische Händler verkauft. In Wahrheit droht vielen kleineren Shops und Marken Folgendes:
Zwei Klassen beim Paketversand: DHL setzt falsche Prioritäten
Für viele deutsche E-Commerce-Unternehmen fühlt sich die DHL-Strategie wie ein Schlag ins Gesicht an: Die Peak-Gebühr trifft genau jene, die in der Hochsaison zuverlässig verschicken – und dennoch keinen Zugang zu Sonderkonditionen haben.
Die paradoxe Situation: Die Masse an Temu-Paketen trägt zur Auslastung der Logistikzentren bei und führt mit zur Einführung der Peak-Gebühr. Doch statt dafür zu zahlen, erhält Temu Sonderlösungen. Die Kosten tragen am Ende die Händler, die ordnungsgemäß versenden, lokale Steuern zahlen und Kundenservice leisten.
Temu profitiert – deutsche Händler subventionieren
Die engere DHL-Temu-Kooperation wirft die Frage auf, wie es um die Fairness im deutschen Versandmarkt steht. Wie kann es sein, dass eine Plattform, die wegen Produktqualität, Nachhaltigkeit und Transparenz regelmäßig in der Kritik steht, in den Genuss logistischer Unterstützung durch ein deutsches Unternehmen kommt? Ein deutsches Unternehmen, dessen größter Einzelaktionär die KfW-Bank ist, die zu 100% dem Staat gehört.
Gerade weil DHL zu den führenden Logistikpartnern im europäischen Onlinehandel gehört, sollte es Teil einer ausgewogenen Marktentwicklung sein – nicht Treiber von Wettbewerbsverzerrung.
Die DHL-Kooperation mit Temu ist ein deutliches Signal: Masse schlägt Klasse. Deutsche Händler investieren in Qualität, Kundenzufriedenheit und Compliance – und werden dafür mit höheren Gebühren belastet. Temu liefert Masse und Billigware – und bekommt dafür die Logistik-Partnerschaft, unterstützt vom Staat.
Diese Entwicklung ist nicht nur wirtschaftlich fragwürdig, sondern auch ein Risiko für die Zukunft des fairen Onlinehandels in Deutschland.